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Direkte Messungen der Zeitdilatation

Nach der speziellen Relativitätstheorie vergeht die Zeit für eine in einem Inertialsystem bewegte Uhr verglichen mit der Systemzeit verlangsamt. Nach der allgemeinen Relativitätstheorie gehen Uhren außerdem um so langsamer, je tiefer sie sich in einem Schwerkraftfeld befinden. Da wir uns auf der Erde immer in einem Schwerkraftfeld befinden und schnelle Bewegungen in Flugzeugen keine Seltenheit sind, kann man den Effekt der Zeitdilatation heute leicht nachmessen.

Das Experiment von Hafele und Keating

Das erste und wohl berühmteste Experiment zur direkten Messung der Zeitdilatation wurde im Herbst 1971 von J.C. Hafele von der Washington University (St. Louis, Missouri) und Richard E. Keating vom U.S. Naval Observatory (Washington D.C.) durchgeführt. Die beiden Forscher haben vier Cäsium-Atomuhren in Linienflügen einmal in westliche Richtung und einmal in östliche Richtung um die Erde transportiert und dabei den Zeitverlauf aufgezeichnet.

Anfang der siebziger Jahre waren die Atomuhren noch nicht so genau wie heute und es war bekannt, dass sie ihre Zählraten hin und wieder spontan änderten. Um solche Effekte zu berücksichtigen, haben Hafele und Keating die vier Uhren regelmäßig miteinander verglichen. Dadurch konnten Uhrenfehler reduziert werden und es war möglich, die relativistische Zeitdilatation sehr genau nachzuweisen.

Theoretische Betrachtung

Das eigentlich komplizierte an diesem Experiment war, dass die Flugzeugbewegungen relativ zur Erdoberfläche gemessen wurden. Ein erdgebundenes Koordinatensystem ist aber kein Inertialsystem. In einem übergeordneten Inertialsystem bewegt sich ein Punkt der Erdoberfläche mit der Umlaufgeschwindigkeit. Dazu kommt, dass die Flugzeuge in beträchtlicher Höhe fliegen und deshalb auch der Einfluss der gravitativen Zeitdilatation berücksichtigt werden musste. Hafele und Keating berechneten deshalb beide Effekte nach den von den Piloten gemessenen Flugdaten. Sie erhielten für den Ostflug, dass die Zeit für die bewegten Uhren aufgrund der Höhe um 144 Nanosekunden schneller, aufgrund der schnelleren Bewegung aber um 184 Nanosekunden langsamer gehen sollten. Insgesamt sagte die Theorie für den 65,4 Stunden dauernden Ostflug nur ein zurückbleiben der Uhren um 40 Nanosekunden mit einem geschätzten Fehler von 23 Nanosekunden voraus.

Besser waren die Voraussetzungen für den Westflug. Da sich die Erde richtung Osten dreht, bedeutet eine Umrundung der Erde in westlicher Richtung, dass man sich bezüglich eines Inertialsystems langsamer bewegt. Die Relativitätstheorie sagt also voraus, dass die Uhren beim Westflug schneller gehen sollten. Genaue Rechnungen ergaben einen Geschwindigkeitseffekt von 96 Nanosekunden und einen Gravitationseffekt von 179 Nanosekunden. Insgesamt sollten die Uhren beim Westflug also um 275 Nanosekunden vorgehen, der Fehler der Abschätzung lag bei 21 Nanosekunden.

Experimentelle Bestätigung

Die Ergebnisse der Flüge bestätigten die Rechnungen recht genau: Nach dem Ostflug gingen die vier mitgenommenen Uhren um 57, 74, 55 und 51 Nanosekunden nach. In Übereinstimmung mit der theoretischen Abschätzung von 40±23 Nanosekunden. Nach dem Westflug liefen die Uhren dagegen 277, 284, 266 und 266 Nanosekunden vor. Auch das in guter Übereinstimmung mit dem theoretischen Wert von 274±21 Nanosekunden.

Der Umstand, dass vier unabhängige Uhren mitgeführt wurden, ermöglicht es nicht nur eine Statistik über die Zeitdifferenzen zu machen. Tatsächlich konnte dadurch die Messgenauigkeit erheblich verbessert werden. Durch den Vergleich aller Uhren miteinander kann man nämlich feststellen, wann eine Uhr ihre Zählrate ändert und mit Hilfe der drei anderen Uhren die neue Zählrate der Uhr ermitteln. Dieses Ausgleichsverfahren wurde damals auch zur Ermittlung der offiziellen Zeiteinheit verwendet und war gut entwickelt. Mit Hilfe dieses Verfahrens konnten Hafele und Keating Werte der Zeitdifferenzen mit statistischem Fehler ermitteln. Auf dem Ostflug ging die Zeit 59±10 Nanosekunden nach, auf dem Westflug 273±7 Nanosekunden vor.

Dass das Zwillingsparadoxon ein real messbarer Effekt ist, kann also seit Anfang der siebziger Jahre nicht mehr geleugnet werden. Eine genauere Untersuchung besonders des Gravitationseffektes fand 1975 mit dem so genannten Maryland-Experiment statt. Im Rahmen dieser Versuchsreihe fand auch ein Uhrentransport zwischen Washington und Neu Seeland statt, den ich hier im Original zitieren möchte:

Global Timekeeping
aus: IEEE 1979

Mit heutigen Atomuhren lässt sich der Effekt recht einfach nachweisen. So fand eine Messung 1999 als Versuch im Rahmen der Fernsehsendung Quarks & Co des WDR statt.

Originalveröffentlichungen

Science, Vol. 177, No. 4044 (Jul., 1972), pp. 166-168 (Theorie)

Science, Vol. 177, No. 4044 (Jul., 1972), pp. 168-170 (Experiment)

Letzte Änderung: 23.05.2007

© Joachim Schulz