Eine wichtige Frage in der allgemeinen Relativitätstheorie ist, wie man überhaupt feststellt, ob die Raumzeit gekrümmt ist. Welche physikalische Größe definiert die Krümmung?
Um die Krümmung der Raumzeit zu definieren, kann man sich nicht auf eine äußere Struktur berufen. Bei einer Kugeloberfläche oder einem Sattel können wir von außen definieren, dass dieser Objekte gekrümmt sind. Ihre Flächen sind gekrümmt, weil sie nicht flach hingelegt werden können, so dass alle Punkte dieselbe Höhe haben. Wir nutzen die Einbettung dieser Objekte in den dreidimensionalen Raum, um die zweidimensionale Krümmung ihrer Oberfläche zu bestimmen.
Für die Raumzeit dagegen lässt sich nichts von außen definieren, denn wir kennen ja nichts außerhalb von Raum und Zeit. Die Krümmung muss durch einen inneren Wert angegeben werden. Das kann in der allgemeinen Relativitätstheorie durch den Riemannschen Krümmungstensor geschehen.
So ein Tensor ist nichts anderes als eine Vorschrift zur Veränderung von Vektoren (also gerichteten Größen). Stellen wir uns einen Pfeil auf einer Kugel vor. Vielleicht die Erdkugel. Dieser Pfeil zeigt zum Beispiel am Nordpol Richtung London, also den 0. Meridian entlang. Nun bewegen wir den Pfeil, ohne seine Richtung zu ändern bis zum Äquator, dann parallel, wieder ohne die Richtung zu ändern, zehn Längengrade nach Osten und dann wieder zurück zum Nordpol. Nun zeigt der Pfeil offenbar nicht mehr nach London, sondern den 10. Meridian entlang nach Hamburg. Diese Rotation des Pfeiles nach Parallelbewegung wird durch die Krümmung der Kugeloberfläche hervorgerufen. Auf einem flachen Blatt Papier deckt sich der Pfeil nach mehreren Parallelverschiebungen mit dem Ausgangspfeil. Seine Richtung bleibt unverändert. Wir haben also ein Maß für die Krümmung gefunden, das unabhängig von äußeren Betrachtungen nur mit Operationen auf der Oberfläche funktioniert.
Der Krümmungstensor ist nun die mathematische Formulierung der Veränderung des Pfeils. Gibt man die ursprüngliche Richtung des Pfeils und — über die beiden Richtungen, in die man den Pfeil verschieben will, — die von der Verschiebung umschlossene Fläche in den Krümmungstensor ein, so errechnet sich die neue Richtung des Pfeils. Umgekehrt kann man durch Messung der Pfeiländerung nach den Verschiebungen den Krümmungstensor errechnen. Er ist ein Maß für die Krümmung.
Um lokal die Krümmung zu bestimmen, geht man natürlich nicht einen viertel Kugelumfang weit. Tatsächlich ist der Krümmungstensor für sehr kleine Verschiebungen von Vektoren definiert und kann für jeden einzelnen Punkt einer Oberfläche berechnet werden. Die Gesamtheit der Krümmungstensoren an jedem einzelnen Punkt bilden dann gemeinsam ein Krümmungsfeld. Bei einer Kugel ist die Krümmung natürlich an jedem Punkt gleich. Sie ist ja überall gleich rund. Bei einer komplizierteren Form kann sich die die Krümmung von Punkt zu Punkt ändern.
Die Definition des Krümmungstensors, die ich oben für eine zweidimensionale Kugeloberfläche beschrieben habe, lässt sich auf die Raumzeit mit ihren drei Raumdimensionen und der einer Zeitdimension verallgemeinern, ohne dass das Prinzip ein anderes ist. Nur dass die gedachten Pfeile nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich in verschiedene Richtungen zeigen können. Die Konsequenzen der zeitlichen Krümmung der Raumzeit, beschreibe ich auf der folgenden Seite.
Letzte Änderung: 31.10.2012
© Joachim Schulz